Scheitern macht keinen Spaß

In meinen Gesprächen und Diskussionen rund um die sogenannten „FuckUp Nights“ kommt immer wieder der Vorwurf, dass auf diesen Veranstaltungen Fehler und Scheitern verharmlost und gefeiert werden und damit die Konsequenzen eines Scheiterns besonders auf der materiellen Ebene heruntergespielt werden…Natürlich kann es nicht ausgeschlossen werden, dass ein solches Verhalten einmal auftritt. Das gilt insbesondere im Bereich von Start-ups, bei denen die Gründung nicht auf den Aufbau eines eigenen Unternehmens, das möglichst lange gehalten und entwickelt werden soll, zurückgeführt werden kann, sondern wo Gründer eine Geschäftsidee entwickeln, um diese möglichst schnell an andere Investoren verkaufen zu können. In letzterem Fall ist die Identifikation mit dem Unternehmen zwangsläufig deutlich geringer. Es ist quasi eine Art Geschäft, für das sich diese Gründer engagieren, Zeit und Energie aufbringen. Es ist aber kein Lebensinhalt, der die Identität der Gründung im Unternehmen mitbeeinflusst.

Ich habe auf den vielen FuckUp Nights, die ich bisher besucht habe, kein einziges Mal erlebt, dass hier ein Scheitern oder größere Fehler gefeiert wurden. Vielmehr waren es immer Unternehmer, Projektleiter, Gründer, Geschäftsführer, die sich mit einer hohen Identifikation und Engagement einer Idee und deren Umsetzung und Erfolg verschrieben haben und aus unterschiedlichsten Gründen diesen Erfolg nicht erreichen konnten.

Die schwarzen Schwäne

Gründe zu Scheitern gibt es viele. Natürlich gibt es solche, die in der Person liegen, z. B. über einen schlechten Führungsstil, die Selbstüberschätzung mit gesundheitlichen Konsequenzen als Folge oder einfach das nicht beachten wollen von offensichtlichen Tatsachen. Sehr oft, und nach meiner Einschätzung in den meisten Fällen, hat Scheitern etwas mit externen Ereignissen zu tun: Marktveränderungen, politische Veränderungen, das Auftreten eines destruktiven Wettbewerbers, der Wegfall eines wichtigen Kunden, Lieferanten oder entscheidenden Mitarbeiters. Die sogenannten »schwarzen Schwäne«, von denen Nassim Nicholas Taleb in seinem gleichnamigen Buch spricht, die Ereignisse von denen wir glauben, dass es sie nicht gibt, und wenn es sie doch gäbe, sie uns nicht betreffen würden – diese Ereignisse gibt es und wir können uns nur bedingt auf sie vorbereiten. Das Risiko unkontrollierbarer, unvorhersehbarer und nicht beeinflussbarer externer Ereignisse gehört zum unternehmerischen Risiko. Umso größer ist der emotionale und psychologische Effekt, wenn genau solche Ereignisse ein Lebenswerk, ein Projekt, in das viel Herzblut und Engagement gesteckt wurde, das mit viel Hoffnung und Idealismus angegangen wurde, scheitert.

Positive Aspekte des Scheiterns

Scheitern heißt für mich das endgültige nicht mehr erreichen können persönlich wichtiger Ziele oder Projekte und damit hat Scheitern auch immer etwas mit Identität zu tun. Einen Teil der eigenen Identität zu verlieren, ist zunächst ein emotional schmerzhafter Vorgang, der mit Trauer aber auch Wut, Zweifel und möglicherweise Schuldgefühlen einhergeht. Ich kenne niemanden, der mit dieser Definition und diesen Umständen gerne gescheitert wäre oder absichtlich und vorsätzlich ein Scheitern sozusagen als Lebenserfahrung provoziert hätte. Damit unterscheidet sich Scheitern von einem Fehler oder Irrtum, da es eben nicht mehr korrigiert werden kann und Betroffene dazu zwingt sich neu zu orientieren, neue Wege einzuschlagen, neue Perspektiven oder Herausforderungen zu suchen. Sozusagen auch eine neue Identität. Dass auf diesem neuen Weg sich eine neue, authentischere, erfolgreichere, vielleicht auch zufriedenere und glücklichere Identität entwickeln kann, ist sehr oft zu beobachten. Aber dies ist in der Regel häufiger die unbeabsichtigte positive Konsequenz, die sich im Idealfall einige Zeit nach einem Scheitern einstellt – aber kaum die Motivation zum Scheitern.

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