Agilität ohne Fehler geht nicht

Viele Unternehmen setzen sich mit agilen Führungsmethoden und -werkzeugen auseinander. Die schnellen und dynamischen Veränderungen, mit denen sie sich in unserer sogenannten VUCA Welt konfrontiert sehen, erfordern ein Umdenken, sowohl bei Führungskräften wie auch Mitarbeitern.

Entscheidungen, die heute auf Basis von bestimmten Annahmen und Erwartungen getroffen werden, können sich schon morgen als falsch herausstellen – Unternehmen müssen hierauf reagieren können. Während Prozesse früher vor allem ergebnisorientiert waren und das Ziel eine möglichst perfekte Umsetzung der Ideen und Annahmen in ein Ergebnis forderten, so steht heute der Prozess selbst im Mittelpunkt und das Ergebnis ist nicht mehr vordefiniert, sondern ergibt sich aus den verschiedenen Erkenntnissen und Einflussfaktoren während des Prozesses. Für Unternehmen und Projektteams bedeutet dies, dass in deutlich kürzeren Zyklen Zwischenergebnisse bewertet und anhand neuer Ergebnisse beurteilt und ggf. angepasst werden.

Der Charakter einer Welt mit schnellen und dynamischen Veränderungen bedingt zwangsläufig, dass sich Annahmen und Parameter ebenfalls schnell ändern können und damit ursprüngliche Ideen und Ziele bildlich über den Haufen geworfen werden können. Dies kann so weit gehen, dass ein Projekt komplett eingestellt werden muss, weil es sich nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll realisieren lässt, da der Bedarf am Markt bereits durch andere zwischenzeitlich abgedeckt wurde oder auch durch andere Gründe, etwa weil es neue Technologien gibt, weil sich an den politischen, gesellschaftlichen und globalen Rahmenbedingungen Veränderungen ergeben haben.

Scheitern als Chance

In einem traditionellen Denken würde man solche Projekte als gescheitert betrachten und die daran beteiligten Projektleiter und Projektmitarbeiter würden mit hoher Wahrscheinlichkeit einen „Makel“ bekommen, was nur im Zusammenhang mit dem Ergebnis des Projekts zu tun hat, aber nicht mit ihrer persönlichen und gemeinschaftlichen Leistung, die trotz gescheitertem Ergebnis sehr gut gewesen sein kann.

In einer agilen VUCA Welt lässt sich das Scheitern von Projekten nicht ausschließen, vielmehr ist die Möglichkeit des Scheiterns zu einem Bestandteil der Projektarbeit geworden und um Mitarbeiter für eine solche Projektarbeit gewinnen zu können, ist es wichtig, dass sich Führungsebenen in Unternehmen im Umgang mit gescheiterten Projekten und „gescheiterten“ Projektmitarbeitern neu gestalten.

Wenn Scheitern nicht mehr ein persönlicher Makel sein kann, sondern eine ganz normale in einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftretende Option ist, die sich weder von Führungskräften noch Projektmitarbeitern oder Prozessen ausschließen lässt, dann dürfen Mitarbeiter für gescheiterte Projekte auch nicht mehr persönlich gebrandmarkt werden. Vielmehr sollten diese für ihren Mut und die Leistung in einem Projekt gewürdigt werden. Hierzu eigenen sich auch Events, in denen Mitarbeiter über gescheiterte und erfolgreiche Projekte berichten, was sie aus diesen Projekten für sich gelernt haben und welche Erkenntnisse auch für Kollegen und Führungskräfte des Unternehmens von Interesse sein können. Das Berichten über gescheiterte Projekterfahrungen hilft den Beteiligten, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und daraus lernen zu können und andere können aus der Berichterstattung Erkenntnisse für ihre eigene Arbeit mitnehmen und ableiten. Damit wird aus einem gescheiterten Projekt nicht nur ein Unkostenfaktor, sondern eine Investition in erfahrenere und selbstbewusstere Mitarbeiter.

Zu Erfahrungen des Scheiterns offen stehen zu können, diese nicht mehr unter den Teppich kehren zu müssen und in irgendeiner Weise vertuschen zu müssen, sondern offen dazu stehen zu können, ohne Angst vor Stigmatisierung , Verletzungen und anderer Nachteile haben zu müssen, führt dazu, dass Mitarbeiter offen miteinander und ihren Führungskräften kommunizieren können, dass sie mit mehr Mut und Engagement neue, im Ergebnis unbekannte Projekte annehmen und dass sie ein Bewusstsein für sich selbst, ihre Stärken, Kompetenzen und das Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Fähigkeiten, auch mit Niederlagen und Scheitern umgehen zu können, entwickeln. Insofern zwingen uns die agilen Führungs- und Arbeitsmethoden dazu, nicht nur aus Erfolgen zu lernen, sondern auch Misserfolge und Erfahrungen aus Misserfolgen als gleichwertig zu den Erfahrungen aus Erfolgen zu bewerten.

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